Interview mit Yoko Taro

 

Lasst uns in die faszinierende Welt von Yoko Taro, dem kreativen Genie hinter dem gefeierten NieR-Universum eintauchen. Während wir Yoko Taro als unseren Ehrengast auf der AnimagiC im letzten Jahr begrüßen durften, hatten unser Redaktionsleiter Johannes und unsere Lizenzmanagerin Karen das große Vergnügen, ein exklusives Interview mit ihm zu führen.

Begleitet uns auf eine spannende Reise durch die Gedanken und Ideen des legendären Game Directors und Autors.

 

Ist eher 2B oder A2 Ihr Typ?

Karen: Das ist ein Thema, über das die deutschen Fans viel reden.

Yoko Taro: Wieso reden die deutschen Fans bitte darüber? Und geht es um die Persönlichkeit der beiden? Oder um ihr Aussehen?

Johannes: Ganz klar ums Aussehen.

Yoko Taro: Ums Aussehen also … Die Gesichter der beiden sind ja sehr ähnlich, weshalb ich finde, dass es gehüpft wie gesprungen ist, aber … Hm … Obwohl ich eigentlich keine Lieblinge unter meinen Charakteren habe, würde ich wohl 2B sagen, wenn ich mich unbedingt entscheiden müsste. Also wenn ich mich wirklich entscheiden müsste. A2 wirkt mit ihrer Art auf mich, als würde sie sich nicht mehr groß verändern. Bei 2B denke ich aber, dass noch so einiges passieren kann, und das finde ich interessant. Zum Beispiel könnte sie noch sehr hysterisch werden oder so.

 

Was ist die verrückteste Erfahrung, die Sie bisher gemacht haben?

Yoko Taro: Meint ihr damit als Game Creator? Oder privat?

Karen: Sowohl als auch. Sie können gerne beides beantworten.

Yoko Taro: Also auch privat … Meine Antwort wäre – egal ob privat oder als Game Creator – wohl dieselbe, aber leider darf ich die Geschichte nicht weitererzählen (lacht). Es würde zu allerlei Problemen führen, wenn ich darüber rede. Zu wirklich vielen Problemen.

Karen, Johannes: (lachen)

Karen: Dann bleibt sie wohl besser ein Geheimnis (lacht).

 

Letztes Jahr startete Yoshinoya Kyodai, ein Manga über eine japanische Gyudon-Restaurantkette, in Japan und Sie sind für die Story zuständig. Erzählen Sie uns doch bitte die Geschichte hinter diesem besonderen Werk.

Yoko Taro: Ursprünglich habe ich bei Square Enix den Manga Kimi Shi Ni Tamou Koto Nakare veröffentlicht, aber der Chefredakteur, der unter anderem für die Serie zuständig war, hat dann angefangen für LINE-Comics zu arbeiten, und mich gefragt, ob wir nicht erneut zusammen an etwas arbeiten wollen. Als ich antwortete, dass ich Interesse hätte, wenn ich einen Manga über Yoshinoya veröffentlichen darf, hat er dafür gesorgt, dass wir uns mit den Leuten von Yoshinoya zusammensetzten. Den Manga gibt es also nicht, weil wir gebeten wurden, Werbung für Yoshinoya zu machen, sondern schlicht und ergreifend, weil ich an so einem Manga arbeiten wollte. Schließlich liebe ich Yoshinoya.

Karen: Haben Sie für Ihre Arbeit an der Serie irgendwelche Recherchen anstellen müssen?

Yoko Taro: Nein, gar keine. Da ich Yoshinoya liebe, war ich mit der Recherche eigentlich schon vor Beginn der Serie fertig und ich darf mich die ganze Zeit mit etwas beschäftigen, das ich liebe (lacht). Nebenbei habe ich mir mit dem Werk auch den Wunsch erfüllt, irgendwann mal an einem Gourmet-Manga zu arbeiten.

Karen: Viele deutsche Fans wissen sicherlich noch nichts von der Serie und sind deshalb neugierig.

Yoko Taro: In Deutschland gibt es ja auch kein Yoshinoya, oder? Dann werden sie bestimmt nicht verstehen, worum es geht (lacht).

Karen: So einige werden sicherlich von der Restaurantkette wissen (lacht). Aber diese Geschichte wird alle überraschen.

 

Gibt es ein Thema oder Genre, das Sie gerne in einem Ihrer kommenden Werke behandeln möchten?

Yoko Taro: Die Dinge zu machen, die man machen will, ist gar nicht so einfach. In der Regel erhalte ich von Kunden … nein, erhalte ich von meinen sehr geehrten Kunden einen Auftrag und versuche ihn dann in etwas zu verändern, das ich machen möchte. Anders formuliert könnte man auch sagen, dass ich so ziemlich alles mache, womit man an mich herantritt. Ich würde mich auch um die Produktion von Nahrungsmitteln kümmern, wenn man mir sagen würde, dass ich das machen soll (lacht).

Karen: Sie meinten ja auch gerade schon, dass Sie den Wunsch hatten, mal einen Gourmet-Manga zu machen.

Yoko Taro: Ja, eigentlich ist es so, dass es kaum etwas gibt, das ich nicht machen möchte. Allerdings nehme ich neuerdings kaum noch Aufträge an, bei denen ich die Dinge nicht kontrollieren kann. Zum Beispiel Projekte, wo ich nur einen kleinen Teil beisteuere und mich dann mit dem Ganzen nicht mehr beschäftige. Früher war das anders, aber heutzutage arbeite ich lieber an Dingen, bei denen ich das große Ganze kontrollieren kann. Von daher gibt es kein Genre, an dem ich besonders gerne arbeiten möchte, aber am liebsten kümmere ich mich um Projekte, wenn ich in etwa die Position eines Direktors innehaben kann. Zum Beispiel könnte ich mich um die Produktion von Udon kümmern (lacht). Wenn Square Enix mir jetzt sagt, dass ich mich um die Produktion von Udon kümmern soll, dann mache ich das (lacht).

 

Was, glauben Sie, sind drei wichtige Dinge, die man benötigt, um ein gutes Szenario/Drehbuch zu schreiben?

Yoko Taro: Mir fallen wirklich viele ein, aber Nummer eins und damit am wichtigsten ist, dass du, also als schreibende Person, denkst, dass es unterhaltsam ist. Als Zweites halte ich es für wichtig, dass du dir bewusst sein musst, dass nicht alle da draußen genauso über dein Werk denken werden. Als Drittes ist wichtig, dass du dir beim Schreiben Gedanken darüber machst, was alle draußen für unterhaltsam halten könnten. Wenn du dann mit Punkt drei durch bist, geht es wieder mit Punkt eins los. Dieser Ablauf wiederholt sich ständig und findet deshalb auch kein Ende. Ein gutes Szenario hat kein richtiges Ende und man arbeitet ständig an ihm weiter. Man findet immer etwas daran, das einem komisch vorkommt, und will es verbessern. Das ist, was ich für wichtig halte.

Karen: Gehen Sie also immer wieder diese drei Punkte durch, wenn Sie schreiben?

Yoko Taro: Ja, so ist es. Ich wiederhole immer wieder den Prozess, dass ich etwas schreibe, es dann für schlecht halte und es im Anschluss verbessere.

Johannes: Wenn Sie sich also jetzt Ihre bereits fertigen Werke anschauen …

Yoko Taro: … dann möchte ich noch mal an ihnen arbeiten! Ich möchte ewig an ihnen weiterarbeiten. Jetzt mögen sich einige denken, dass man es dann beim ersten Mal gleich perfekt machen sollte, aber tatsächlich ist es so, dass selbst die Sachen, von denen man glaubt, dass sie perfekt sind, das nächste Mal, wenn man sich mit ihnen beschäftigt, nicht mehr perfekt auf einen wirken können oder man einige Dinge an ihnen nicht mehr mag. Das liegt daran, dass man sich verändert, die Gefühle anders sind und man dann wieder Dinge anpassen will. Deshalb ist es ein ständiger Prozess des Daran-Arbeitens.

 

Wenn die Welt zu Ende gehen sollte, wie würden Sie Ihren letzten Tag verbringen?

Yoko Taro: Die richtige Antwort wäre wahrscheinlich, dass ich ihn mit meiner Frau verbringe, aber als ich diese Frage sah, war mein erster Gedanke, dass ich die Person töten würde, die verantwortlich für das Ende der Welt ist.

Karen, Johannes: (lachen)

Karen: Das klingt wie der Anfang eines neuen Action-Games.

Yoko Taro: Ich würde ihn auf jeden Fall töten und erst im Anschluss sterben.

Johannes: Wie ein wahrer Held … (lacht)

Yoko Taro: Der Typ würde mir halt auf den Keks gehen.

 

Gibt es in Ihren bisherigen Werken eine Szene, an der Sie ganz besonders hängen?

Yoko Taro: Wie schon bei den Charakteren habe ich auch keine Szene, an der ich besonders hänge. Das steht auch in Verbindung zu meiner Antwort auf die Frage mit dem Szenario/Drehbuch. Wenn es eine Szene gäbe, hieße das auch, dass es Szenen gibt, an denen ich nicht hänge, und mit meiner Arbeitsweise versuche ich eigentlich genau das zu verhindern. Ich gehe meine Werke mit der Prämisse an, sie gleichmäßig gut zu gestalten, und wenn es eine Szene gibt, an der ich besonders hänge, dann gibt es Szenen, bei denen ich es nicht tue. Zumindest fühlt es sich für mich so an. Anders ist es bei Dingen, die schwierig durchzusetzen oder zu machen sind. Zum Beispiel habe ich beim Entstehen des Lösungsbuches von Replicant gewollt, dass auf den letzten Seiten des Buches das Szenario in Typografie geschrieben wird. Bis dahin war alles in normaler Schrift geschrieben, aber ich wollte, dass einige Zeilen in Typografie geschrieben werden. Der zuständige Redakteur wollte das aber auf keinen Fall, weshalb ich meine Idee nicht umsetzen konnte. Als dann aber Replicant 1.22 rauskam, wurde es mir erlaubt und ich habe mich gefühlt, als wäre mir ein großer Durchbruch gelungen. Als der Redakteur mir damals widersprach, dachte ich mir schon, dass er recht haben wird, aber irgendwie brodelte die Idee danach in mir weiter, weshalb ich mich am Ende sehr freute, dass es dann doch wurde, wie ich es mir vorgestellt hatte.

 

Wie hat Ihnen die AnimagiC gefallen?

Yoko Taro: Mein Zeitplan war unheimlich locker (lacht). Normalerweise ist es so, dass ich von morgens bis abends Interviews geben muss, aber dieses Mal war es so, dass ich jeden Tag nur ein paar Stunden arbeiten musste. Außerdem sind die deutschen Fans sehr herzlich und waren während des Events auch sehr passioniert. Der Regisseur des Animes, Herr Masuyama, hat es auch schon gesagt, aber wir sammeln hier ein paar unvergessliche und starke Eindrücke. Außerdem ist es toll, dass das Wetter hier kühler ist (lacht).

Karen, Johannes: (lachen)

Yoko Taro: Da will man eigentlich gar nicht zurück nach Japan (lacht).

 

Von den Ratschlägen, die Sie bisher in Ihrem Leben bekommen haben, was war der beste und was der schlechteste?

Yoko Taro: Der beste war wohl, als ich noch ein Kind war und meine Mutter zu mir sagte: »Taro, es ist nicht so, dass Frauen sich in jemanden verlieben, nur weil die Person gut aussieht. Sie verlieben sich in die Person, die dafür sorgt, dass sie am meisten Spaß haben.«

Karen, Johannes: (lachen)

Yoko Taro: Auch jetzt denke ich noch, dass das ein guter Ratschlag war. Ich habe gelernt, dass auch wenn man nicht der größte Schönling ist, man diesen Umstand mit Anstrengung überkommen kann. Danke, Mutter. Da schlechte Ratschläge aber leider nicht hängen bleiben, kann ich mich an keinen erinnern.

Karen: Gibt es denn etwas, das Ihnen gesagt wurde und auch wenn es Sie zuerst wütend gemacht hat, es Sie dann aber in Ihrer Arbeit angetrieben hat?

Yoko Taro: Ich wollte eine äußerst grausame Szene in Drakengard 3 einbauen und es kam deshalb zu Streitereien mit dem für Ethik zuständigen Mitarbeiter von Square Enix, weshalb ich die Szene am Ende nicht so ins Spiel einbringen konnte. Ich weiß jetzt nicht, wie es in Deutschland ist, aber in Japan haben wir so einen »Bitte warten Sie kurz«-Einblender und den haben wir dann statt der Szene gezeigt. Das sorgte dafür, dass die ganze Szene ein wenig idiotisch wirkte, und das gefiel mir gut. Am Ende war ich also ganz froh über die Streitigkeiten. Letztlich mochte ich es sehr, da es sehr idiotisch wirkte (lacht). Als ich Drakengard schrieb, wurde mir immer wieder gesagt, dass gewisse Lines zu gefährlich sind und dass ich sie ändern muss. Das war wirklich anstrengend, aber bei NieR Replicant hat diese Erfahrung dafür gesorgt – also in der japanischen Version –, dass wir Lines dieser Art einfach immer mit einem Piep-Ton verdeckt haben. Das hat dafür gesorgt, dass das Game komischer wurde, und darüber freue ich mich total. In der ausländischen Version (Anmerkung der Redaktion: In den westlichen Audiospuren sind die Flüche klar zu hören) ist der Piep-Ton nicht drin, weshalb ausländische Fans es vielleicht nicht verstehen werden, aber in der japanischen Version ist er enthalten und ich glaube, dass das dafür sorgt, dass so Kainés Charakter noch besser rüberkommt.

 

Die Unglückskarte

Karen: Weil Sie die Unglückskarte gezogen haben, möchten wir Sie jetzt bitten, das auch in Deutschland berühmt-berüchtigte schwarze Haribo-Lakritz zu probieren.

Yoko Taro: Uwah! Da ist es!

Karen: Haben Sie es schon einmal gegessen? Es reicht auch, wenn Sie nur einen Bissen probieren!

Yoko Taro: Schwarzes Haribo noch nicht. Und das essen hier alle?

Karen: Ja, eigentlich schon.

Johannes: Es gibt sogar noch viel härtere und salzigere Sorten Lakritz.

Yoko Taro: Irgendwie schmeckt das wie Gummi. Essen Leute das, weil sie den Geschmack von Reifen mögen?

Johannes: Ich bin Lakritz tatsächlich nicht abgeneigt, habe es aber als Kind gehasst. Ich denke, dass es wie Kaffee und Wein ist und es lecker wird, wenn man sich erst daran gewöhnt hat.

Yoko Taro: Im Nachgeschmack spüre ich einen Hauch Minze, aber auch ein wenig WC-Reiniger (lacht).